Dorfläden am Werk – Wie Bio-Unternehmen mit eigenen Läden Regionalität, Marke und Gemeinschaft neu verbinden

05. Juni 2025 Aktuelles BNN-News Veranstaltungen

Wie Bio-Dorfläden direkt am Werk neue Wege gehen. Das dritte Webinar der Reihe „Dorfladen – ein Konzept für die BioBranche?“ zeigte Praxisbeispiele, wie Hersteller mit eigenen Läden regionale Versorgung stärken, Marken erlebbar machen und echte Treffpunkte schaffen.

Ein Dorfladen auf dem Firmengelände eines Bio-Herstellers? Was zunächst wie ein charmantes Nischenprojekt klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als strategisch kluges und gesellschaftlich relevantes Konzept. Im dritten Teil der Webinarreihe „Dorfladen – ein Konzept für die BioBranche?“ stand genau dieses Modell im Mittelpunkt: der Bioladen direkt am Produktionsstandort – als Ort der Nahversorgung, als Bühne für Markenwerte und als lebendiger Treffpunkt im ländlichen Raum.

Mit dabei waren drei Referent*innen, die nicht nur über das Konzept sprachen, sondern es bereits leben und weiterentwickeln: Markus Hofer und Miriam Kaufmann von Byodo/Feinsinn & Genussküche sowie Mathilde Szczesny von ARIES Umweltprodukte. Ihre Erfahrungsberichte gaben tiefe Einblicke in die Praxis, die Herausforderungen – und vor allem in das enorme Potenzial dieses Ansatzes.

Feinsinn – Mehr als ein Firmenladen

Byodo eröffnete 2016 den Bioladen Feinsinn direkt auf dem eigenen Gelände in Mühldorf am Inn. Mit rund 450 m² Verkaufsfläche, über 7.000 Produkten, Frischetheke, Mittagsgastronomie in der „Genussküche“ geht Feinsinn weit über den klassischen Dorfladen hinaus. Hier treffen regionale Bio-Produkte auf kulinarische Qualität, Kundenservice auf Markenerlebnis.

Was Feinsinn besonders macht: die bewusste Trennung der Marken „Byodo“ und „Feinsinn“. Zwar werden Byodo-Produkte prominent im Laden präsentiert, doch das „Feinsinn“ steht für sich. Ziel ist es, ein eigenständiges Einkaufserlebnis zu schaffen, das über die reine Produktvermarktung hinausgeht. Kooperationen mit regionalen Partner*innen, Veranstaltungen in der Genussküche und der intensive Austausch mit Kund*innen machen das „Feinsinn“ zu einem Ort, an dem Bio nicht nur verkauft, sondern gelebt wird.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Die hohe Komplexität des Geschäftsmodells, Personalfluktuation und das Spannungsfeld zwischen operativem Ladenbetrieb und strategischer Unternehmensentwicklung erfordern ständiges Umdenken. Doch das Feinsinn-Team ist überzeugt: Die enge Verbindung von Marke, Region und Kund*innen macht den Aufwand mehr als wett.

ARIES Bioladen – klein, lokal, verbindend

Einen völlig anderen Maßstab, aber eine ebenso große Vision bringt Mathilde Szczesny mit. Ihr Bioladen im Dorf – eröffnet im März 2025 – ist mit nur 40 m² Verkaufsfläche bewusst klein gehalten, aber mit großer Wirkung. Was als persönliches Bedürfnis begann, hat sich zu einem Treffpunkt im Ort entwickelt. Der Laden bietet ein reduziertes Vollsortiment, ergänzt durch regionale – auch nicht-biologische – Produkte. Damit spricht er eine breite Zielgruppe an und baut Brücken zwischen Bio-Anspruch und realen Versorgungsbedürfnissen.

Mathilde setzt auf Pragmatismus und Community: Kooperationen mit lokalen Akteur*innen wie einem konventionellen Landwirt, Rabatte für aktuelle und ehemalige Mitarbeitende von ARIES Umweltprodukte, geplante Veranstaltungen wie ein Outdoor-Kino – all das schafft Verbindung und Sichtbarkeit. Der Laden wird so nicht nur zur Einkaufsmöglichkeit, sondern zu einem sozialen Anker im Dorf.

Auch hier gibt es Hürden: Personalsuche, begrenzte Fläche, anfängliche Skepsis in der Gemeinde. Doch Mathilde bleibt dran – mit Engagement, Kreativität und dem festen Glauben daran, dass regionale Nahversorgung und Bio-Inhalte nicht im Widerspruch stehen müssen, sondern zusammengehören.

Was steckt hinter dem Modell „Dorfladen am Werk“?

In der anschließenden Diskussion wurden die strukturellen Vorteile solcher Modelle deutlich:

  • Transparenz und Vertrauen: Wer weiß, woher die Produkte kommen, und die Menschen hinter der Marke erlebt, entwickelt Loyalität.
  • Verkürzte Lieferketten: Durch den Direktverkauf vor Ort werden Transport- und Lagerkosten gespart.
  • Erlebbare Markenpräsenz: Der Laden wird zur Bühne für die Unternehmensphilosophie – jenseits von Hochglanzkommunikation.
  • Kooperationspotenzial: Lokale Partnerschaften stärken das Sortiment und die Zusammengehörigkeit der Gemeinschaft.
  • Community Building: Der Laden wird zum sozialen Zentrum – mit Events, Kultur, Austausch.

 

Fazit: Eine echte Zukunftsoption für die Bio-Branche

Was in diesem Webinar deutlich wurde: Der Dorfladen am Werk ist kein romantisches Idealbild, sondern eine reale Chance – für Bio-Hersteller, für ländliche Regionen und für die Stärkung nachhaltiger Konsummuster. Er verbindet wirtschaftliches Denken mit gesellschaftlicher Verantwortung, Markenidentität mit regionaler Verankerung und Bio-Produkte mit echten Menschen.

Die Bio-Branche kann hier Vorreiterin sein: Für kurze Wege, offene Türen, echte Begegnungen – und eine neue Form der Nähe zwischen Produkt, Produzent und Publikum.

Zum Nachlesen: Rückblick auf das erste Webinar der Reihe „Dorfläden – ein Konzept für die Biobranche?“: Hier klicken.

Weitere Webinar-Themen im Überblick:

  • Webinar 4 | Bio für das Dorf – Erfolgreiche Sortimentsgestaltung 
    Datum: Ende September
  • Webinar 5 | Kooperationen und Netzwerke – Erfolgsstrategien für die Bio-Branche
    Datum: Anfang November

Die Webinarreihe richtet sich an alle Handelssäulen und ist ein exklusives Angebot für BNN-Mitglieder.

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