Ihre Gefriertruhe setzt immer öfter Eis an? Sie wollen als Bio-Fachgeschäft dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele erreicht? Dann ist es Zeit, sich die Kühlmöbel mal genauer anzuschauen. So manch altes Schätzchen tut zwar noch seinen Dienst, versteckt aber tief im Rohrsystem ein unfeines Geheimnis: teilfluorierte Kohlenwasserstoffe als Kältemittel, kurz HFKW. Sie sind aufgrund ihres extrem hohen Treibhausgas-Potenzials besonders klimaschädlich – zum Teil mehrere tausend Male schädlicher als CO2.
Deswegen werden diese Kältemittel nach und nach vom Markt verschwinden. Die F-Gas-Verordnung der EU hat 2015 eine schrittweise Verknappung eingeleitet, so dass bis 2030 die Menge der HFKW um fast 80 Prozent gesunken sein wird. Was knapp ist, wird teurer – das sieht man schon jetzt am Preisschild vieler herkömmlicher Kältemittel. Je höher das Treibhauspotenzial eines Kältemittels, umso teurer wird es im Laufe des sogenannten Phase-Downs. „Es ist also nie zu früh, den Umstieg zu planen“, rät Ulrike Schaal vom Bundesverband Naturkost Naturwaren. Der BNN engagiert sich mit acht weiteren europäischen Partnern im EU-Projekt „Refrigerants Naturally! for LIFE“ – kurz RefNat4LIFE– für die Umstellung auf klimafreundliche und natürliche Kältemittel im Naturkostfachhandel. Gleich zwei gute Gründe dafür nennt Ulrike Schaal: „Einerseits, weil Bio und Nachhaltigkeit, also auch nachhaltige Kühlung, einfach zusammengehören. Außerdem wollen wir den inhabergeführten Einzelhandel dabei unterstützen, rechtzeitig vor einem Wechsel der Kühlgeräte die erforderlichen Informationen zu bekommen.“
Kühl kalkulieren – rechtzeitig!
Denn wenn die Kühltruhe im Laden streikt, muss es schnell gehen. Wer sich dann ins Thema schon ein bisschen eingefuchst hat, kann in einer solchen Stress-Situation trotzdem ökologisch verantwortungsbewusst entscheiden und gerät später nicht in eine Kostenfalle. Außerdem sind längst nicht alle Kältefachfirmen fit in Sachen umweltfreundlicher Kühlung oder setzen auf „business as usual“. Rechtzeitig den eigenen Dienstleister zu prüfen und gegebenenfalls Ausschau zu halten nach einem neuen mit Sinn für moderne Umwelttechnik, das erleichtert den Weg zu einer praxistauglichen und klimafreundlichen Lösung enorm. Denn einfach ein neues, klimafreundliches Kältemittel einfüllen, das ist leider fast nie eine Option.
Den Einstieg erleichtern Leitfäden, die im Projekt „Refrigerants Naturally! for LIFE“ entwickelt worden sind: Welche Vorschriften gibt es – und was darin ist relevant für den Lebensmittelhandel? Wie erkenne ich energieeffiziente Geräte? Welche Eigenschaften haben die verschiedenen Kältemittel? Eine Vorlage für die Geräte-Inventarisierung im Geschäft und eine Checkliste für die Auswahl klimafreundlicher Alternativen helfen bei der ersten Orientierung. Für den Herbst sind auch E-Learning-Kurse für Ladenbesitzer geplant.
Sylvia Haslauer vom Biomarkt LaVida in Oberbayern steckt schon mitten in der Planung für eine Umstellung. Die Geräte sind schon ziemlich alt und „so eine Kühlanlage sagt vorher ja nicht, dass sie kaputt geht“, lacht die Inhaberin. Von ihrer bisherigen Kältefirma hat sie sich verabschiedet: „Da konnte ich mir den Mund dumm und dusselig reden, der hat keinen Draht dafür. Es gibt leider nicht viele, die ökologisch denken und praktische Erfahrung haben.“ Anderen Bioladenbetreibern rät sie, einen Beratungstermin zu machen, auch wenn das was kostet: „Sich schlau machen, was ist möglich bei mir, was kostet es? Kompetente Beratung ist das A und O.“ Sylvia Haslauers neuer Kältetechniker knobelt übrigens noch an der richtigen Lösung – das klimafreundliche Happy-End muss also noch etwas warten.
Der Staat unterstützt Klimaschutz-Upgrades
Da die Investition etwas größer sein kann, lohnt es sich, den Förderrechner für Investitionen in Kälte- und Klimaanlagen auf der Website der Nationalen Klimaschutzinitiative (www.klimaschutz.de) anzuwerfen. Für die Umstellung auf umweltfreundliche Kältemittel gibt es staatliche Zuschüsse. So lohnt sich der Aufwand noch mehr, nicht nur für die Klimabilanz des eigenen Ladens, sondern auch finanziell: Mit energieeffizienten Geräten, vielleicht sogar Wärmedämmung und Wärmerückgewinnung, lässt sich auf Dauer sehr viel Strom sparen.
Gute Erfahrungen mit natürlichen Kältemitteln hat Klaus Leiter vom Eekenhof in Friesland – mit Isobutan in Stand-Alone-Geräten schon seit 2014, und seit 2017 auch mit Kohlendioxid. Der Bio-Hofladen gehört zu einem Gemüsebau-Betrieb, so dass Kühlung in etwas größerem Maßstab benötigt wird. Bei der Umbauplanung wurde Leiter klar, dass die alten Kältemittel keine Option waren – viel zu hoch sind die GWP-Werte (Global Warming Potential, also das Treibhauspotenzial). „Für mich als Biopionier war das irre und witzig, es galt eine bessere Lösung zu finden.“ Aber auch hier winkte der bisherige Kältetechniker ab. „In 15 Kilometer Entfernung hab ich dann jemanden gefunden, der hat gesagt, das ist interessant, ich klemm mich dahinter“. Mehr und mehr Kältetechniker hätten die Botschaft inzwischen gehört, ist Klaus Leiter überzeugt, man müsse im Zweifel ein wenig herumfragen.
Die neue Anlage für den Gemüsebau war teurer als eine vergleichbare mit F-Gasen, aber Leiter rechnete weiter: „Es ist ja klar, dass das richtig teuer wird mit den alten Kältemitteln, und der Umbau ist eine Investition auf Jahrzehnte. Ich bin sicher, dass wir das wieder einsparen.“ Auch im Laden stehen noch einige Verbesserungen an, unter anderem gibt es noch einen Tiefkühlschrank mit dem F-Gas 404A, einen Käsetresen, zwei Kühlhäuser und ein Kühlregal für Molkereiprodukte. Die klimafreundliche Lösung ist im Detail gar nicht so einfach zu finden, weil die Lastanforderungen zu niedrig sind für ein System mit Kohlendioxid. Mit dem Umbau möchte er auch die Abwärme der Kühlung nutzen. „Das wäre eine echte Energie-Ersparnis, wenn man die Heizung und die Warmwasserbereitung mit einem Wärmetauscher anschließt.“ Anderen Umbauwilligen rät er, unbedingt auf natürliche Kältemittel zu setzen und wenn möglich, das Kühlaggregat draußen aufzustellen, und er rät, sich nichts aufschwatzen zu lassen: „Uns steht das als Bioladen und als Biobranche nicht nur gut zu Gesicht, sondern es ist die einzige Alternative! Das ist Dinosauriertechnik, wenn wir jetzt noch die alten Kältemittel nehmen.“
von Katja Niedzwezky