Stellungnahme zur EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR)

27. September 2024 Aktuelles Position Stellungnahme

Der BNN e.V. nimmt Stellung zur Stellungnahme zur EU-Verordnung für entwaldungsfreien Lieferketten (EU Deforestation Regulation (EUDR))

Als Interessenverband von Unternehmen der Bio-Lebensmittelwirtschaft aus den Bereichen Import, Verarbeitung und Handel nehmen wir wie folgt Stellung zur EUDR (englisches Originaldokument hier als PDF):

Grundsätzliche Haltung

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V. unterstützt grundsätzlich das Ziel der EUDR. Der Schutz der Wälder und der Biodiversität ist von zentraler Bedeutung für den Erhalt unseres Planeten und die Bekämpfung des Klimawandels. Auch der Schutz indigener Völker, die maßgeblich zur Erhaltung dieser wertvollen Ökosysteme beitragen, ist ein wichtiges Anliegen, das wir uneingeschränkt unterstützen.

Wir unterstützen ebenso ausdrücklich die Ziele der EUDR, sowohl Wälder als auch indigene Völker zu schützen. Die Umsetzung eines solchen Gesetzes muss allerdings inklusive seiner absehbaren Folgen gut durchdacht sein. Leider ist unser Eindruck, dass dies im vorliegenden Fall nicht ausreichend geschehen ist.

Kritikpunkte

Unsere Hauptkritik richtet sich auf zwei Aspekte:

  1. Die möglichen negativen Auswirkungen auf kleinbäuerliche Strukturen und Erzeuger*innengemeinschaften, oft auch indigene Völker, des globalen Südens
  2. Die Belastungen für Unternehmen innerhalb der EU, die von der Verordnung betroffene Produkte importieren, verarbeiten oder handeln (darunter viele kleine und mittelständische Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft)

     

I. Auswirkungen auf kleinbäuerliche Strukturen in Ländern des globalen Südens

  • Es besteht die Gefahr, dass kleinbäuerliche Erzeuger*innen - häufig Indigene - von Lieferketten für die unter die Verordnung fallenden Rohstoffe ausgeschlossen werden.
  • Denn viele Kleinbäuerinnen und -bauern in Ländern des globalen Südens kennen die genauen Geodaten zu ihren Flächen nicht.
  • Die für die Datenbeschaffung notwendige Internetverbindung ist nicht überall vorhanden.
  • Es ist somit wahrscheinlich, dass einige kleinbäuerliche Strukturen die benötigten Daten für einen Nachweis der Entwaldungsfreiheit nicht liefern können und damit vom Exportmarkt in die EU ausgeschlossen werden.
  • Im Gegensatz dazu werden große, kapitalstarke landwirtschaftliche Betriebe voraussichtlich die benötigten Daten beschaffen können und so weiterhin den europäischen Markt bedienen und dominieren.
  •  Das Risiko von Landkonflikten zwischen groß- und kleinbäuerlicher Landwirtschaft könnte auf diese Weise deutlich erhöht werden.

Diese Punkte werden auch in einer in Forest Policy and Economics veröffentlichten Studie bestätigt.[1]

II. Auswirkungen auf importierende, verarbeitende und Handelsunternehmen in der EU

  • Das angekündigte Benchmarking fehlt bisher, sodass unnötigerweise vorerst auch Länder, die aller Voraussicht nach in die niedrige Risikostufe eingeordnet werden, als Länder mit Standardrisiko behandelt werden müssen.
  • Das angekündigte IT-System ist (abgesehen von einer Testversion) noch nicht verfügbar.
  • Die angekündigte Erweiterung der FAQ um noch nicht geklärte Fragen ist noch nicht veröffentlicht.
  • Die zeitliche Abfolge der Deadline, bis zu der sich die EU-Kommission verpflichtet hat, die oben genannten Dokumente zur Verfügung zu stellen, und des Termins, ab dem das Gesetz umgesetzt werden muss, macht eine fristgerechte Umsetzung praktisch unmöglich.
  • Die Anforderung, jede Charge einzeln zu dokumentieren, und die Tatsache, dass bei fehlenden Informationen die Ware gar nicht mehr in die EU gelassen wird, sind höchst problematisch. Dies könnte zu Lieferengpässen führen oder zum Aussortieren kleinerer Lieferanten, die bei der zuverlässigen Informationsbeschaffung ein größeres Risiko darstellen könnten.

 

Besondere Herausforderungen für Bio-Unternehmen

Als Verband ökologisch produzierender Unternehmen möchten wir betonen, dass die EUDR für unseren Sektor besondere Herausforderungen mit sich bringt:

  • Bio-Unternehmen beziehen oft Produkte von Kleinbäuerinnen und -bauern sowie indigenen Gemeinschaften, die durch die neuen Anforderungen besonders gefährdet sind.
  • Die ökologische Landwirtschaft fördert traditionell vielfältige und kleinstrukturierte Anbausysteme, die durch die neuen Regularien benachteiligt werden könnten.
  • Der Bio-Sektor hat bereits strenge Kontrollen und Zertifizierungssysteme implementiert. Die zusätzlichen Anforderungen der EUDR könnten zu einer unverhältnismäßigen Belastung und damit zu einer weiteren Benachteiligung im Wettbewerb führen.

 

III. Unzureichende Überprüfungsfristen

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft den Zeitrahmen für die Überprüfung der Verordnung:

  • Laut aktueller Planung soll eine erste allgemeine Überprüfung erst fünf Jahre nach Inkrafttreten stattfinden. Diese Überprüfung soll sich dann alle fünf Jahre wiederholen.
  • Bei der ersten Überprüfung soll ein Bericht zu den Auswirkungen der Verordnung auf die Produzentenländer, insbesondere auf Kleinproduzent*innen, indigene Völker und lokale Gemeinschaften, dem EU-Parlament und -Rat vorgelegt werden.
  • Zudem soll überprüft werden, ob zusätzliche handelserleichternde Instrumente für Produzentenländer nötig sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt der ersten Überprüfung betrifft die mögliche Verschiebung von Handelsströmen, die eventuelle Umgehungsversuche bedeuten könnte.

 

Wir halten diesen Zeitrahmen für deutlich zu lang. Angesichts der potenziell schwerwiegenden Auswirkungen auf kleinbäuerliche Strukturen, indigene Gemeinschaften und KMUs in der EU ist eine frühere und häufigere Überprüfung dringend erforderlich.

Wir fordern daher:

  1. Eine Überarbeitung der Verordnung unter Berücksichtigung der spezifischen Situation und der Möglichkeiten von kleinbäuerlichen Strukturen und indigenen Völkern.
  2. Die schnellstmögliche Bereitstellung von Benchmarking-System, IT-System und erweiterten FAQ.
  3. Realistische Übergangsfristen, die es allen Beteiligten ermöglichen, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.
  4. Unterstützungsprogramme für kleinbäuerliche Strukturen und KMUs, um die Anforderungen der EUDR erfüllen zu können.
  5. Eine deutlich frühere und häufigere Überprüfung der Verordnung, insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Kleinproduzent*innen, indigene Völker und lokale Gemeinschaften sowie auf mögliche Handelsverschiebungen. Wir schlagen vor, die erste Überprüfung bereits nach zwei Jahren durchzuführen und anschließend jährliche Evaluierungen vorzunehmen.

 

Nur durch eine ausgewogene, praxisnahe und regelmäßig überprüfte Umsetzung der EUDR können wir sowohl Wälder schützen als auch faire und nachhaltige Lieferketten gewährleisten. Die vorgeschlagenen früheren und häufigeren Überprüfungen würden es ermöglichen, negative Auswirkungen schneller zu erkennen und notwendige Anpassungen zeitnah vorzunehmen.

Wir stehen mit unserem Netzwerk an Unternehmen der Bio-Lebensmittelwirtschaft gerne bereit, wenn es darum geht, die EUDR weiter zu entwickeln. Wenden Sie sich mit Fragen und Rückmeldungen gern an uns: 

Ulrike Schaal (Referentin Nachhaltigkeit) unter der E-Mail: schaaln-bnn.de

Für Presse: René Neumann unter der E-Mail: neumannn-bnn.de und Telefon: +49 (0)30 / 847 12 24-56


[1] Zhunusova, E., Ahimbisibwe, V., Le, T. H. S., Sadeghi, A., Toledo-Aceves, T., Kabwe, G., & Günter, S. (2022). Potential impacts of the proposed EU regulation on deforestation-free supply chains on smallholders, indigenous peoples, and local communities in producer countries outside the EU. Forest Policy and Economics, 143, 102817. https://doi.org/10.1016/j.forpol.2022.102817