07. Mai 2024 • Aktuelles
Im Zuge unserer Wahlprogrammanalyse anlässlich der EU-Wahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 betrachten wir in unserem letzten Beitrag, welche Positionen die deutschen Parteien zum hochaktuellen Thema der neuen gentechnischer Verfahren (NGT) in der Land- und Lebensmittelwirtschaft einnehmen.
Seit Sommer 2023 liegt der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Reform des europäischen Gentechnikrechts auf dem Tisch. Mit ihrem Entwurf hat die EU-Kommission sowohl Verbraucherschützer als auch Umwelt- und Ökoverbände aufgeschreckt. Denn: Risikoprüfung, umfassende Kennzeichnung und Maßnahmen zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit und der Koexistenz wie einer Nachweispflicht sollen für die meisten gentechnisch veränderten Nutzpflanzen entfallen. Käme der Vorschlag so durch, hätte dies unkalkulierbare Folgen für Umwelt, Verbraucher*innen und Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft.
Das Europäische Parlament (EP) hat dann im Februar 2024 dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission zum Einsatz neuer gentechnischer Verfahren bei Pflanzen mehrheitlich zugestimmt - allerdings mit zahlreichen Änderungen. So erreichten die Abgeordneten, dass das Parlament der Kennzeichnung von Saatgut, Pflanzen und Erzeugnissen aus neuen Gentechnikverfahren zustimmte. Außerdem wird Rückverfolgbarkeit eingefordert. Unter den EU-Mitgliedstaaten dagegen fand sich bei einem Treffen ihrer ständigen Vertreter im Rat der EU bisher keine qualifizierte Mehrheit für eine gemeinsame Position.
In der nächsten Legislaturperiode werden die Verhandlungen zum Gesetzesvorschlag weitergehen, womit nach Ansicht einiger Beobachter*innen aber erst ab Mitte 2025 gerechnet wird. Dann mit einem neu gewählten Europäischen Parlament und einer neu zusammengesetzten Europäischen Kommission.
Die SPD lehnt traditionelle Gentechnik ab, ist jedoch bereit für eine „ergebnisoffene Prüfung“ neuer genomischer Techniken wie CRISPR/Cas, unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips, heißt es im EU-Wahlprogramm. Die Partei betont die Wichtigkeit von Kennzeichnung und Nachweisbarkeit genetisch veränderter Organismen, um die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen zu gewährleisten.
Die Grünen stehen neuen gentechnischen Verfahren kritisch gegenüber und fordern strenge Regulierungen und umfassende Risikoprüfungen „auf wissenschaftlicher Basis“. Die Partei betont die Notwendigkeit einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft, die ohne gentechnische Eingriffe auskommt.
Zudem bekennt sich die Partei klar zur Wahlfreiheit: „Für eine nachhaltige und transparente Landwirtschaft ist es unabdingbar, dass Betriebe, die gentechnikfrei wirtschaften wollen, dies sicher tun können.“ Eine Kennzeichnung müsse zudem auch die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen schützen, heißt es weiter. (S. 38)
Außerdem lehnt die Partei ebenso Patente auf Pflanzen und Tiere ab, um „die
Zukunft besonders kleiner und mittelständischer Landwirtschafts- und Zuchtbetriebe“ sicherzustellen.
Das gemeinsame Wahlprogramm der Unionsparteien unterstützt ausdrücklich neue Gentechnikverfahren („neue Züchtungstechnologien“) in der Landwirtschaft.
Die FDP plädiert am eindeutigsten für eine umfangreiche Deregulierung des aktuellen Gentechnikrechts. Im Wahlprogramm auf Seite 21 heißt es: „Wir setzen uns für eine vollständige Neuordnung des europäischen Gentechnikrechts ein. Nicht nur die Bewertung der klassischen Grünen Gentechnik muss an den heutigen Wissensstand angepasst werden, sondern auch sogenannte Neue Züchtungstechniken, wie die Genomeditierung durch CRISPR/Cas, müssen fortschrittsorientiert und rechtlich klar geregelt werden.“
Die AfD betont, dass der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft „streng überwacht“ und auf seinen „tatsächlichen Nutzen“ überprüft werden sollte. Die Partei spricht sich aber gleichfalls weder für das Vorsorgeprinzip noch für eine Risikoprüfung aus. Welche Position die Partei vertritt, bleibt daher im Unklaren.
Das BSW-Parteiprogramm lehnt Agrogentechnik und Patente auf Leben ab und unterstützt den freien Nachbau von Saatgut.
Der Bundesverband Naturkosten Naturwaren setzt sich weiter dafür ein, dass die aktuelle Position des Europäischen Parlaments, insbesondere in Bezug auf Rückverfolgbarkeit und umfassende Kennzeichnung, beibehalten wird. Es darf keine Rückabwicklung der bisherigen Erfolge geben, die kleine und mittelständischen Betriebe benachteiligen sowie die Wahlfreiheit für Verbraucher*innen einschränkt. Wir sehen darüber hinaus die Notwendigkeit einer wissenschaftsbasierten Risikoprüfung sowie klarer Koexistenzregeln, die das Verursacherprinzip berücksichtigen.
Den Einsatz von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen sehen wir nicht als Lösung für die aktuelle Klima- und Biodiversitätskrise, da wir eine grundlegende und ganzheitliche Systemänderung in der Land- und Lebensmittelwirtschaft anstreben. Resiliente regionale und ökologische Strukturen müssen erhalten und gestärkt werden, um eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion weiterhin zu ermöglichen.