Europawahl 2024: Wie stehen die Parteien zur Pestizidreduktion?

18. April 2024 Aktuelles

Ein großer Traktor sprüht Pestizide über ein ausgedehntes Weizenfeld im Frühling. Der Sprüher erstreckt sich von den Seiten des Traktors und verteilt die Flüssigkeit gleichmäßig über die grünen Ähren, während der Fahrer in der Kabine das Fahrzeug entlang gerader Linien steuert.
© Galeanu Mihai / Getty Images Die Verschmutzung durch Pestizide ist eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa.

Im zweiten Teil unserer Wahlprogrammanalyse - anlässlich der EU-Wahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 - schauen wir uns an, was die deutschen Parteien zum Thema Einsatz von Pestiziden und Reduktionszielen auf europäischer Ebene vorschlagen.

Pestizide um 50 Prozent bis 2030 reduzieren - EU-Kommissions-Ziel gescheitert?

Ursprünglich hatte die Kommission im Rahmen der Strategie „Vom Hof auf dem Tisch“ vorgeschlagen, den Einsatz von Pestiziden in der EU bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Im November 2023 wurde das Vorhaben im Zuge des Verordnungsentwurf der Sustainable Use of Pesticides Regulation (SUR) jedoch in einer Abstimmung im Europaparlament aufgrund massiver Proteste aus der Landwirtschaft sowie von einer Mehrheit aus Konservativen, Rechten sowie Abgeordneten von Liberalen und Sozialdemokraten gekippt. Nun soll nach der Europawahl 2024 ein erneuter Versuch gestartet werden.

Grund genug sich die Wahlprogramme der deutschen Parteien anzuschauen, die für die Wahl zum EU-Parlament antreten werden.[1] Wie stehen CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, AfD und BSW zu Pestiziden in der Landwirtschaft und den Reduktionszielen?

Das sagen die Parteiprogramme deutscher Parteien zu Pestizidreduktion und Pestiziden in der Landwirtschaft

 

CDU/CSU

Im Parteiprogramm der CDU zur Europawahl wird das Thema Pestizidreduktion nicht direkt adressiert. Lediglich der Verweis mithilfe von Technologien wie Präzisionslandwirtschaft, Neuer Gentechnik, integriertem Schädlingsmanagement und Robotik die Landwirtschaft modernisieren zu wollen, findet sich im Parteiprogramm. Im Rahmen ihrer Fraktionsarbeit für die konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament, hat die CDU den Gesetzesvorschlag zur SUR scharf kritisiert.

SPD

Die SPD möchte eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden umsetzen. Zudem unterstützt sie das Ziel, den Anteil ökologischer Landwirtschaft in Europa auf 25 Prozent zu steigern. Offenbar sieht sie digitale Technologien, künstliche Intelligenz und Drohnen als Schlüssel dafür, um die Landwirtschaft insgesamt effizienter zu gestalten.

Bündnis 90 / Die Grünen

Die Grünen fordern eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik, die Maßnahmen für den Klimaschutz, den Schutz von Wasser, Boden und Biodiversität umfassen soll – und auch die Reduzierung von Pestiziden einschließt. Besonders ist hervorzuheben: Es wird eine strengere Umsetzung des Verursacherprinzips gefordert, bei der Unternehmen, die Pestizide in den Verkehr bringen, für entstandene Schäden haften sollen. Zudem wird ein baldiges Verbot von Glyphosat in der EU gefordert. Die Partei möchte auch die Unabhängigkeit der Behörden von Pestizidherstellern bei Genehmigungsverfahren erhöhen, um die Transparenz zu stärken.

FDP

Die FDP thematisiert die Reduzierung von Pestiziden nur vor dem Hintergrund der Deregulierung neuer Gentechnik. Demzufolge könne der Fortschritt der neuen Gentechnik das Ziel geringerer Pestizidausbringung beschleunigen. Anmerkungen: Dieses Argument wird immer wieder angeführt. Doch weder existieren bisher nennenswerte Züchtungsfortschritte, zudem wurde bereits bei der klassischen Gentechnik argumentiert, sie führe zu einem geringeren Einsatz von Pestiziden. Das Gegenteil war jedoch der Fall, der Einsatz z.B. von Glyphosat habe teilweise sogar zugenommen. Auch die FDP kritisierte den Entwurf der SUR-Verordnung scharf.   

AfD

Im Parteiprogramm der AfD finden sich keine spezifischen Erwähnungen oder umfassenden Diskussionen zur Reduktion von Pestiziden. Stattdessen konzentriert sich das Programm auf allgemeinere Themen in Bezug auf Landwirtschaft und Umweltschutz, ohne speziell auf Pestizide einzugehen. Es gibt allgemeine Aussagen zur Unterstützung von traditioneller Landwirtschaft und zum Widerstand gegen EU-Regulierungen, die als übermäßig empfunden werden. Bereits im Rahmen der Diskussion zum gescheiterten Verordnungsentwurf der Sustainable Use of Pesticides Regulation (SUR) hat die AfD als Teil der Fraktion Identität und Demokratie gemeinsam mit der konservativen EVP-Fraktion sowie derrechtspopulistischen ECR-Fraktion aktiv die Vorschriften für eine Pestizidreduktion zu stoppen versucht.

BSW

Das BSW-Parteiprogramm erwähnt zwar das Thema, allerdings werden keine konkreten Pestizidreduktionsziele angesprochen. Vielmehr fordert die Partei „transparente und unabhängige Verfahren zur Sicherstellung der Lebensmittel- und Pflanzenschutzmittelsicherheit“, um weniger schädliche und gleichzeitig erschwingliche Produkte zu gewährleisten.

BNN: Wir brauchen klare Ziele und konkrete Maßnahmen!

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren hat klare Vorstellungen: Wir stehen eindeutig zum Ziel, dass die Verwendung vor allem von chemisch-synthetischen Pestiziden stark reduziert werden muss, um Klimaschutz und Artenvielfalt angemessen zu berücksichtigen.

Außerdem fordern wir bereits seit mehreren Jahren ein umfangreiches und bundesweites Umweltmonitoring, das die Verbreitung von Pestiziden in Böden, in der Luft, in Gewässern sowie im menschlichen Körper systematisch untersucht.

Die Geschäftsführerin des BNN, Kathrin Jäckel, hat auf Basis der Ergebnisse des langjährigen BNN-Pestizidmonitorings erst kürzlich auf einen zunehmenden Trend bei der Pestizidbelastung hingewiesen. Dies führt für Biobetriebe zu erhöhten Kosten für Eigenkontrollen, um eine hohe Produktqualität sicherzustellen. Angesichts dieser Entwicklung plädieren wir – wie auch die Grünen in ihrem EU-Wahlprogramm – für eine stärkere Verantwortungsübernahme der Hersteller chemisch-synthetischer Pestizide, um eine gerechte Kompensation für die entstandenen Nachteile zu schaffen.

Die Auswertung der Wahlprogramme ist für uns daher unbefriedigend. Dann lediglich Bündnis 90/Die Grünen als auch die SPD stehen für die Reduktionsziele von Pestiziden. Die anderen Parteien sprechen entweder von „Technologieoffenheit“ oder bleiben unkonkret bei möglichen politischen Maßnahmen. 

In unserem ersten Teil der Wahlprogrammanalyse zur Europawahl 2024 haben wir uns angeschaut, wie die zur Europwahl antretenden deutschen Parteien zum Ökolandbau und Bio allgemein stehen. Den Artikel gibt es hier.

 

 

 


[1]Unsere Vorgehensweise: Basierend auf den aktuellen Prognosen und Umfragewerten (Ipsos-Umfrage vom 19.03.2024) haben wir die Parteien unter die Lupe genommen, die voraussichtlich mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen erhalten werden. Dabei ist zu beachten, dass es bei der Europawahl keine 5%-Hürde gibt, anders als bei der Bundestagswahl. Trotz einer relativ geringeren erwarteten Prozentzahl in der Umfrage von vier Prozent haben wir die FDP in unsere Analyse einbezogen, da sie als Teil der Regierungskoalition auf Bundesebene eine wichtige Rolle spielt. Unser Fokus lag auf den Stichworten „Landwirtschaft“, „Ökolandbau“, „ökologischen Landwirtschaft“ bzw. „Bio“.