28. April 2022 • Aktuelles • Interview
Was 1977 in einem kleinen Tal nördlich des Bodensees begann, wurde im Laufe der Zeit eine große unternehmerische Erfolgsgeschichte. Hinter dem Erfolg steht eine einzigartige Unternehmenskultur.
Was 1977 in einem kleinen Tal nördlich des Bodensees begann, wurde im Laufe der Zeit eine große unternehmerische Erfolgsgeschichte. Vorläufiger Höhepunkt: Im Dezember 2021 erhielt Sonett den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022“. Das freut die 130 Beschäftigten, lässt sie aber nicht ruhen. Immer geht es einen Schritt weiter. Ein Videotelefonat zwischen Bonn und Deggenhausen, unweit des Bodensees. Distanz ist auch nach zwei Coronajahren das Gebot der Stunde. Meist ist die Verbindung gut, manchmal ruckeln Bild und Ton und ist das, was Oliver Groß und Rebecca Kramer zu sagen haben, erst Sekunden später zu hören. Trotzdem ist in jedem Moment des über einstündigen Gesprächs etwas so intensiv zu spüren, als säßen wir uns in der Firmenzentrale am Besprechungstisch gegenüber: der Enthusiasmus, die Begeisterung, die Über-
zeugung, mit der die beiden täglich für ihre Sache eintreten.
Klar herüber kommt auch die positive Stimmung der beiden Gesprächspartner*innen. Sie gehören der Geschäftsführung des Ökowaschmittel-Pioniers Sonett an und blicken nicht nur auf ein gutes Geschäftsjahr 2021 zurück – sondern auch auf eine bedeutende Auszeichnung: Das Unternehmen gewann im Dezember den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022“ in der Kategorie mit dem etwas sperrigen Namen „Transformationsfeld Gesellschaft“.
Dabei sind es weder Auszeichnungen noch Bilanzzahlen, die sie vorrangig antreiben. Sondern das Ziel, „an der Spitze der Nachhaltigkeit zu sein“, wie es Oliver Groß formuliert. Der Weg dorthin begann schon vor der Gründung des Unternehmens 1977, als sich der Naturwissenschaftler Johannes Schnorr eingehend mit der Verunreinigung des Grundwassers durch Waschmitteltenside befasste. Am Anfang stand deshalb die Idee des umweltfreundlichen Waschens im Baukastensystem. Es ging den Gründer*innen des Unternehmens darum, Waschmittel, Enthärter und Bleichmittel getrennt zu dosieren, um so die Waschsubstanzen optimal zu nutzen. Zudem ging es schon damals – und bis heute – darum, auf Rohstoffe aus der Erdölchemie, Gentechnik und Enzyme konsequent zu verzichten und stattdessen Öle und ätherische Öle aus Bioanbau einzusetzen.
Nachhaltiges Waschen und Reinigen also. Produkte aus 100 Prozent biologisch abbaubaren, rein pflanzlichen und mineralischen Rohstoffen. Das ist mehr, als alle herkömmlichen Waschmittelhersteller zu bieten haben. Für Sonett ist dies aber nur ein Teil. Die Jury des „Deutschen Nachhaltigkeitspreises“ schreibt in ihrer Begründung recht nüchtern: „Doch das Unternehmen geht noch einen Schritt weiter“. Richtiger wäre zu sagen: jede Menge Schritte.
„Wirklich nachhaltig zu sein bedeutet viel mehr, als lediglich Umweltbeeinträchtigungen zu vermeiden“, betont Oliver Groß. „Unser Anspruch ist es, über dieses Verständnis von Nachhaltigkeit weit hinaus zu gehen.“ Bei Sonett ist man seit Gründungszeiten überzeugt davon, dass es für nachhaltiges Handeln nicht reicht, sich konsequent ökologisch auszurichten. Zur Sorge für die Umwelt tritt die Sorge für den Menschen – und fürs Unternehmen selbst, also die wirtschaftliche Seite hinzu. „Wie arbeiten wir zusammen und wie gehen wir mit Geld um?“, sind ebenso wichtige Leitfragen für uns“, sagt Rebecca Kramer.
Ein Unternehmen muss Gewinne machen, allein schon, um reinvestieren, innovativ bleiben und fortbestehen zu können. Trotzdem ist Sonett anders. Seit 2014 gehört das Unternehmen einer gemeinnützigen Stiftung. „Da es keine Gewinnentnahme für einige Wenige gibt, arbeiten bei Sonett alle in großer Selbstverständlichkeit an der gemeinsamen Aufgabe“, stellt Kramer klar.
„Diese Aufgabe zählt, nicht der Profit.“ Alle sollen am Unternehmenserfolg beteiligt sein. Deshalb liegt auch die Gehaltsspreizung bei Sonett nur bei 1:5. Das höchste Gehalt übersteigt das niedrigste also nur um das Fünffache. Zum Vergleich: In manchen Dax-Konzernen verdienen Vorstände das 20-, 50- oder 100-Fache einfacher Beschäftigter.
Die Stiftungskonstruktion bei Sonett sorgt dafür, dass die Gewinne ins Unternehmen, an die Mitarbeiter*innen sowie als Spenden an Forschungs-, Kunst- und Sozialeinrichtungen fließen. Wichtig auch: Das Unternehmen wird partnerschaftlich geführt, es kann nicht verkauft und nicht übernommen werden. Diese und weitere Kriterien werden unter dem Stichwort Verantwortungseigentum zusammengefasst, einem Konzept, dem sich in Deutschland noch langsam, aber doch spürbar eine ganze Reihe von Unternehmen zuwenden.
Nicht nur die Umwelt, sondern auch die Menschen stehen bei Sonett im Mittelpunkt. Das gilt für die inzwischen rund 130 Beschäftigten, aber zum Beispiel auch für die Lieferant*innen und Geschäftspartner*innen. „In allen Fällen geht es uns um langfristige und vertrauensvolle Beziehungen auf Augenhöhe“, sagt Kramer. Das zahlte sich beispielsweise aus, als es wegen der Corona-Pandemie 2020 häufiger Lieferengpässe gab. „Unser Rohstofffluss war immer gesichert, was wir auch auf das langjährige, gute Verhältnis zu unseren Lieferant*innen zurückführen“, erklärt Groß.
Die Beschäftigten wiederum sind nicht nur über die Stiftungskonstruktion eng und transparent in den Geschäftsverlauf eingebunden. „Die Menschen, die bei uns sind, suchen hier mehr als eine bloße Arbeitsstelle“, skizziert Groß, „sie identifizieren sich mit den Zielen des Unternehmens, und wir unterstützen uns gegenseitig in der gemeinsamen Entwicklung.“
Darüber hinaus setzt sich Sonett für gesellschaftliche Inklusion und Unterstützung von Menschen ein, die es auf dem regulären Arbeitsmarkt schwer haben. Ein Beispiel: Viele Sonett-Produkte werden von Menschen mit Assistenzbedarf der angrenzenden Camphill-Werkstätten Lehenhof etikettiert.
Autor: Lothar Schmitz, freier Journalist