Planet-Score: Ein Schritt in die richtige Richtung

04. Februar 2022 Aktuelles

Immer öfter wollen Verbraucher*innen nicht nur wissen, ob ihre Lebensmittel bio sind, sondern auch, wie sie auf das Klima und Umwelt wirken.

Doch es ist enorm komplex, die ökologischen Spuren von Lebensmitteln leicht verständlich in einem Nachhaltigkeits-Label abzubilden. Zwei Vorschläge liegen vor: Eco-Score und Planet-Score. Warum der Planet-Score die bessere Lösung ist, erklärt Judith Moog von Europas ältester Bio-Ölmühle Bio Planète.

Einmal mehr ist Frankreich hier Vorreiter, diesmal gleich zweifach: Zuerst entwickelte der europäische Nachbar den Eco-Score, quasi als Klima-Äquivalent zum Nutri-Score. Doch wie schon sein Vorgänger bevorzugt auch der Eco-Score konventionell erzeugte Ware gegenüber ökologischer. Deshalb hat die französische Bio-Community einen eigenen Vorschlag für ein freiwilliges Kennzeichnungssystem der Umweltauswirkungen von Lebensmitteln gemacht: den Planet-Score. Judith Moog, Geschäftsführerin von Bio Planète und Mitglied des BNN-Kuratoriums, hat die Diskussion in Frankreich um beide Labels miterlebt. Wir haben mit ihr über Ziele und Schritte eines funktionierenden Klima-Labels für Lebensmittel gesprochen.

 

Wie bewertest Du den Planet-Score, insbesondere im Vergleich zum Eco-Score?

Eigentlich wollen wir kein neues Label. Mittlerweile gibt es so viele davon, dass es Verbraucher eher verwirrt und letztendlich zu Lasten der Glaubwürdigkeit geht. Aber wenn im Rahmen des Green Deals ein neues Klimalabel für Lebensmittel kommen wird, dann sollte es auf keinen Fall der Eco-Score sein. Denn der ist, genau wie der Nutri-Score, eine Falle für Bio-Lebensmittel.

Warum ist das so?

Der Eco-Score wird in Frankreich bereits von einigen Herstellern genutzt. Im deutschsprachigen Raum gab es meiner Meinung nach bisher nur vereinzelt Tests. Wie schon beim Nutri-Score gab es vor allem aus der Bio-Branche Kritik an der Eco-Score-Ampel, denn wichtige Indikatoren wie der Einsatz von Pestiziden und deren Wirkung auf Gesundheit und Umwelt, der Einfluss auf das Klima und der Erhalt der Artenvielfalt sowie das Tierwohl werden bei der Bewertung nicht berücksichtigt – auch wenn der Name etwas anderes suggeriert. Nicht nur wir, sondern auch das französische Institut für biologische Landwirtschaft (ITAB) und viele andere NGOs kritisieren zudem, dass der Eco-Score Produkte aus intensiver Landwirtschaft durchweg besser bewertet als Produkte aus Bio-Anbau. Ein Beispiel: Je höher der Hektarertrag umso günstiger wirkt sich das auf den Eco-Score aus. Das ist unserer Meinung nach keine zukunftsgerichtete Herangehensweise.

Wie bist Du das erste Mal auf den Planet-Score aufmerksam geworden?

Als Bio-Lebensmittelhersteller wollten wir bei Bio Planète von Anfang an Verbraucher*innen auch darüber aufklären, woher unsere Produkte kommen, wie sie hergestellt werden und was drinsteckt. Deshalb haben wir den Green Deal der EU, der unter anderem auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln vorantreiben will, mit großem Interesse verfolgt. Frankreich hat eine Vorreiterrolle bei der Weiterentwicklung der Lebensmittelkennzeichnung. Wie schon der Nutri- und der Eco-Score wurde auch der Planet-Score hier entwickelt. Wir sind als Unternehmen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zuhause. Und wie in Deutschland engagieren wir uns auch in Frankreich in Bioverbänden wie Synabio – und waren dadurch indirekt von Anfang an bei der Entwicklung des Planet-Scores involviert.

Der Planet-Score zeichnet ein differenzierteres Bild von der Nachhaltigkeit eines Lebensmittels.

Und was macht der Planet-Score besser?

Der Planet-Score ist der Gegenentwurf der französischen Bio-Branche, allen voran ITAB. Sein Ziel ist, den Verbrauchern eine zuverlässige, klare und transparente Auskunft zu geben und die Reform der Ernährungswirtschaft hin zur Nachhaltigkeit aktiv zu fördern. Dafür differenziert der Planet-Score sowohl zwischen Produktkategorien (z. B. Fleisch versus Äpfel) als auch innerhalb von Kategorien (verschiedene Apfelsorten, die mit unterschiedlichen Produktionsmethoden hergestellt werden).

Nutri-Score, Eco-Score und jetzt Planet-Score: Woran liegt es, dass Frankreich Vorreiter ist, was die Einführung von Labels im Bereich Lebensmittel angeht?

In Frankreich haben die Verbraucher eine starke Stimme und der sind sie sich, im Gegensatz zu den deutschen Verbrauchern, auch bewusst. Wenn sie mehr Transparenz auf den Etiketten fordern, reagieren Wirtschaft und Politik.

Auch nach der Kritik am Nutri- und Eco-Score hat die französische Politik tatsächlich sehr schnell reagiert: Das Ministerium für Ökologie hat einen Aufruf für Projekte zur Entwicklung eines Nachhaltigkeitslabels gestartet, um die Verbraucher über den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln aufzuklären. Schließlich hat eine repräsentative Umfrage in Frankreich (Sommer 2021) gezeigt, dass die große Mehrzahl der Verbraucher ein solch differenziertes Label bevorzugen würde. Eine Initiative von 16 NGOs und Bio-Akteuren – darunter Synabio, das französische Pendant zum BNN – hat daraufhin den Planet-Score entwickelt. Die Testphase des neuen Labels ist am 4. November in Frankreich gestartet.

Diese Geschwindigkeit hat mich sehr beeindruckt. Wir haben mit unseren Kollegen in Frankreich natürlich sofort beschlossen teilzunehmen und rühren nun bereits kräftig die „Werbetrommel“ für den Planet-Score. Auch hierzulande. Denn dieses klare Problembewusstsein gepaart mit einem starken Umsetzungswillen wünsche ich mir sehr für den deutschen Markt und die deutschen Verbraucher. Und ich habe die große Hoffnung, dass Frankreich mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar 2022 den Planet-Score und nicht den Eco-Score für ganz Europa auf den Weg bringt.

 

Was spricht Deiner Ansicht nach noch für den Planet-Score?

Der Planet-Score zeichnet ein differenzierteres Bild von der Nachhaltigkeit eines Lebensmittels. Während eine Buchstaben-Ampel sehr abstrakt ist, kann der Verbraucher beim Planet-Score ein Produkt ganz bewusst nach seinen eigenen Prämissen auswählen. Wenn ihm Tierschutz wichtig ist, und das betrifft glücklicherweise mehr und mehr Menschen, dann kann er anhand der Kennzeichnung zu einem Lebensmittel greifen, das dies respektiert. Bei pflanzlichen Lebensmitteln werden die Aspekte Pflanzenschutz, Biodiversität und Klima(-belastung) transparent aufgeführt und erlauben dem Verbraucher so einen Vergleich und eine bewusste Entscheidung. Der Planet-Score ist sozusagen die „Brückentechnologie“ hin zu wahren Preisen, indem er zumindest die Belastungen aufzeigt, die in den Produkten stecken. Zudem – und auch das ist für uns Hersteller wichtig – passt der Planet-Score trotz seiner Differenziertheit immer noch auf ein Etikett. Wir sind überzeugt, das Label ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Noch ein Label: Warum sollte sich Deiner Meinung nach die Bio-Branche für die Einführung des Planet-Scores einsetzen?

Für mich ist der Planet-Score die bisher beste und ehrlichste Variante für ein solches Label. Ich appelliere deshalb an die deutsche Bio-Branche, sich schnellstmöglich mit dem Planet-Score auseinanderzusetzen und die Erfahrungen der Testphase in Frankreich zu nutzen. Der Planet-Score – das ist das Thema unserer Branche, das ist seit vielen Jahrzehnten unser Grundgedanke, unsere Vision, ja unsere Daseinsberechtigung. Das dürfen wir nicht den Marketingabteilungen der Discounter und Amazon überlassen.

Basis für den Planet-Score ist auch eine Ökobilanz (Lebenszyklusanalyse) aus Daten von Agribalyse. Die durch eine bestimmte Anzahl zusätzlicher Indikatoren ergänzt wird, um Auswirkungen zu erfassen, die in „konventionellen“ Ökobilanzen nur unzureichend oder gar nicht erfasst werden. Beispiele sind der Einsatz von Pestiziden, die Auswirkung auf die biologische Vielfalt und der Tierschutz – Inhalte, die durch den Eco-Score nicht umfassend berücksichtigt werden.

Der Eco-Score wurde von Akteuren aus der Lebensmittelwirtschaft und Gastronomie entwickelt. Grundlage sind Ökobilanzen, die anhand von Daten der französischen Referenzdatenbank für Umwelteinflussindikatoren Agribalyse erstellt werden. Damit wird ein Basiswert erzeugt, der die Umwelteinflüsse wie Wasserverbrauch oder CO2-Ausstoß von verschiedenen Lebensmittelkategorien entlang des Lebenszyklus eines Produktes abbildet. Dieser Wert bekommt Plus- oder Minuspunkte zum Beispiel für die Art der Verpackung (Förderung von Recyclingfähigkeit), die Produktionsart (Bonuspunkte für Bio oder Fairtrade) oder die Herkunft der Inhaltsstoffe.

Das Interview führte Hans F. Kaufmann, Leiter Kommunikation beim BNN. Der Beitrag erschien in der Ausgabe 3|2021 der BNN-Nachrichten.