Klimafreundlich kühlen: „Eine frühe Umstellung rentiert sich oft schnell“

21. März 2021 Aktuelles

Interview mit Britta Pätzold, Projektmanagerin bei der unabhängigen Umweltberatungsfirma HEAT GmbH

Warum lohnt es sich für Bioläden, die Kühlgeräte kritisch zu inspizieren?

Die F-Gas-Verordnung sorgt dafür, dass klimaschädliche Kältemittel immer knapper werden. Läden sind also nicht verpflichtet, sofort alle alten Geräte mit Kältemitteln mit hohem Treibhauspotenzial außer Betrieb zu nehmen. Aber die Betriebskosten steigen, weil Kältemittel mit hohem GWP immer teurer werden und zum Teil gar nicht mehr verfügbar sein werden. Damit niemand in diese Sackgasse gerät, wollen wir mit „Refrigerants Naturally! for LIFE“ dazu anregen, sich rechtzeitig über klimafreundliche Alternativen zu informieren. Neben dem Kältemittel ist der Energieverbrauch ein wichtiger Punkt: Ein altes, ineffizientes Gerät frisst sehr viel Strom und hat damit einen größeren CO2-Abdruck als ein vergleichbares neues mit einer guten Energie-Effizienzklasse. Ganz grundsätzlich hat der Biohandel ja ein eigenes Interesse an Nachhaltigkeit, und das Thema wird auch für Kundinnen und Kunden immer wichtiger. Eine klimafreundliche Umrüstung der Kühlmöbel ist ein gutes Thema für die Kundenkommunikation.

Wie ist der Wissensstand im Lebensmittelhandel?

Umfragen für unsere Marktstudie in Europa haben gezeigt, dass das Thema Kältetechnik gerade bei den kleinen Läden nicht an erster Stelle steht. Zum Teil aus Zeitmangel, Ladenbetreiber müssen sich um viele Dinge kümmern. Viele Bioläden denken außerdem bei Umwelt- und Klimaschutz eher an Lebensmittel: Wo kommen die her, wie werden sie produziert? Das Thema Kühlung ist sehr technisch, man muss sich ein bisschen einarbeiten. Aber Kühlung ist lebenswichtig! Wenn sie ausfällt, verderben die Produkte. Und im schlimmsten Fall hat ein Laden eine alte Anlage mit einem Kältemittel mit hohem Treibhauspotenzial und da gibt es ein Leck – dann tritt das ganze Kältemittel aus und macht die gute Klimabilanz des Bioladens erstmal zunichte.

Was tun, damit die Kühlung klimafreundlich wird?

Am besten schaut man sich zum Einstieg die Leitfäden auf unserer Website an und macht mit Hilfe der Checkliste schon mal eine Inventur: Was habe ich im Laden, wie alt sind die Geräte, welche Kältemittel sind enthalten? Selbst wenn man dann nicht kurzfristig umstellen will, ist man dann schon mal im Thema und trifft in einer Notfallsituation nicht die falsche Entscheidung. Wer sich für eine Umstellung entscheidet, braucht Experten auf dem Stand der Technik, es sei denn, es geht nur um ein steckerfertiges Gerät. Ladenbetreiber*innen sollten auf klimafreundliche Lösungen bestehen und gegebenenfalls die Firma wechseln, denn es passiert öfter, dass Kältetechniker Lösungen mit synthetischen Kältemitteln empfehlen.

Welche klimafreundlichen Kühllösungen eignen sich für Bioläden?

Generell empfehlen wir neue Geräte mit natürlichen Kältemitteln und nicht den Kauf eines gebrauchten Gerätes mit F-Gasen. Die konkrete Lösung ist dann immer individuell und abhängig von der baulichen Situation – gerade bei größeren Anlagen. Kompetente Kälteexperten erarbeiten auch für kleine und individuell gestaltete Läden Lösungen und setzen sie um. Verbundanlagen lohnen sich für sehr kleine Läden mit kleinen Kälteleistungen oft nicht. Die Hersteller haben aber das Marktsegment für kleine Kälteleistungen inzwischen im Blick, da tut sich gerade viel.

Sind mit natürlichen Kältemitteln betriebene Anlagen teurer?

Das ist nicht so pauschal zu beantworten. Beim Anschaffungspreis sind steckerfertige Kühlmöbel mit natürlichen Kältemitteln oft kaum teurer. Dafür ist der Stromverbrauch meist geringer und die Geräte rechnen sich schnell wieder. In jedem Fall sollten also nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Betriebskosten betrachtet werden. Eine frühe Umstellung rentiert sich oft schnell über geringere Betriebskosten, das ist besser, als bis zum Ende der Laufzeit zu warten. Bei Verbundanlagen sind die Preisunterschiede oft größer. Aber auch hier gibt es gute Beispiele, dass sich durch den geringeren Energieverbrauch, staatliche Förderung und hohe Effizienz die Investition rechnen kann.

Was tun, wenn eine Kältefachfirma neue synthetische Kältemittel empfiehlt?

Die Kältemittelindustrie setzt teilweise weiterhin stark auf synthetische Kältemittel. Einige Hersteller bringen immer wieder neue Substanzen mit geringerem Treibhaus-Potenzial auf den Markt. Hier sind vor allem die Hydrofluorolefin-Kältemittel (HFOs) zu nennen, die dann als umweltfreundlich beworben werden. Aber der GWP-Wert ist immer noch höher als bei den natürlichen Kältemitteln. Außerdem ist nicht geklärt, welche langfristigen Umweltauswirkungen sie verursachen. Das Umweltbundesamt sieht zum Beispiel Abbauprodukte wie TFA kritisch. Wir empfehlen daher ganz klar natürliche Kältemittel!

Kann man auch selbst etwas tun?

Bei den steckerfertigen Anlagen sollte man selbst regelmäßig kontrollieren, ob das Gerät einwandfrei läuft oder der Stromverbrauch steigt. Denn das kostet nicht nur Geld, sondern verursacht auch Treibhausgas-Emissionen. Und wenn die Temperatur nicht mehr stimmt, hat das auch Auswirkung auf die Qualität der Lebensmittel. In der Umfrage haben wir herausgefunden, dass viele Betreiber ihre Geräte nicht so regelmäßig warten, wie es angebracht wäre. Außerdem ist zum Beispiel der Standort der Geräte im Laden wichtig, und auch die Ausstattung mit Türen oder Abdeckungen.

 
Britta Pätzold

Britta Pätzold ist Projektmanagerin bei der unabhängigen Umweltberatungsfirma HEAT GmbH. Sie koordiniert als Vertreterin der Heat GmbH das von der EU geförderte Projekt „Refrigerants, Naturally! For LIFE“, an dem sich neben dem BNN e.V. weitere Organisationen aus der Bio-Branche sowie Kälteexpert*innen und -Verbände aus Belgien, Deutschland, Niederlande, Portugal und Spanien beteiligen.