Bio außer Haus: Die Ampel steht auf grün

27. Juni 2023 Aktuelles

Eine Kantinenmitarbeiterin überreicht einem Mädchen einen Teller mit Essen.
© istockphoto.com | SolStockMehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung - etwa in Schulen und Kitas - kann einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltigere Ernährung leisten.

Der Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) liegt in Deutschland bei 1,3 Prozent. Da ist viel Luft nach oben. Die Bundesregierung will sich stärker engagieren, um den Anteil zu erhöhen. Für den Bio-Fachhandel eröffnet das Chancen.

  • In diesem Beitrag schauen wir auf die Entwicklung der Gemeinschaftsverpflegung und die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland. Der Artikel ist Teil unserer AHV-Titelstrecke aus dem Magazin BNN-Nachrichten.

Der Bio-Boom der Corona-Jahre hatte einen Nebeneffekt. Seit die Menschen wieder mehr auswärts essen, achten sie auch dort stärker auf ihre Ernährung. „Würden Sie in ihrer Kantine Gerichte mit Bio-Lebensmitteln bevorzugen?“, lautete eine Frage im Ökobarometer 2022. Knapp ein Viertel der Befragten antwortete generell mit Ja, ein weiteres Fünftel mit „ja, aber nur bei Gerichten mit bestimmten Lebensmitteln“. Ein weiteres Viertel machte die Zustimmung vom Preis abhängig. Für Greenpeace fragte das Institut Kantar: „Sollte der neue Bundeslandwirtschaftsminister sich dafür einsetzen, dass die Verpflegung in Behörden und anderen staatlichen Organisationen bis 2030 auf klimafreundliches ökologisch erzeugtes Essen umgestellt wird?“ 66 Prozent sagten „Ja“.

Der Wunsch ihrer Kund*innen nach nachhaltigerem Essen ist bei den Betreiber*innen von Mensen und Kantinen angekommen. „Campus- und Betriebsgastronomie spiegeln deutlich den Kulturwandel auf dem Teller wider: weniger Fleisch, mehr Pflanzliches“, heißt es in der Nestlé Ernährungsstudie 2023. Die große Mehrheit der Kantinen- und Mensachefs sehe sich heute in Sachen Nachhaltigkeit besser aufgestellt als 2020. „Viele haben die Krise genutzt, um ihr grünes Profil zu schärfen, das Angebot zu verschlanken – und qualitativ zu verbessern.“ Auch ein Zeichen: Auf der wichtigsten AHV-Messe, der Internorga, erhielt das Münchner Tollwood-Festival mit seiner Bio-Gastronomie den Zukunftspreis.

Milliarden-Umsätze warten auf Bio

Die Außer-Haus-Verpflegung ist kein Nischenmarkt. Zur AHV zählt nicht nur die Gemeinschaftsverpflegung, also die Küchen und Kantinen von Betrieben, Behörden, Krankenhäusern, Altenheimen und Bildungseinrichtungen. Hinzu kommen noch die klassische Gastronomie mit ihren Hotels und Restaurants, die Systemgastronomie (vulgo Fast-Food-Ketten) sowie jede Menge Essensstände, Kioske, Tankstellen... Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft AMI bezifferte den AHV-Umsatz für 2019 mit 76 Milliarden Euro oder 27 Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes (brutto auf Basis von Verkaufspreisen). Auf Lieferanten-Ebene nennt oekolandbau.de folgende Vor-Corona-Zahlen: „Am Netto-Einkaufsvolumen für Lebensmittel in der AHV in Höhe von 37,6 Milliarden Euro haben die Bio-Produkte einen Anteil von knapp 0,5 Milliarden Euro. Das entspricht nur 1,3 Prozent“. Anders gesagt: Neun Prozent AHV-Bio wie in Österreich würden für die Gastro-Beliefernden einen zusätzlichen Netto-Umsatz von 2,9 Milliarden Euro bedeuten.

Andererseits: Große Bio-Träume für die AHV gab es schon zu Künasts Zeiten. Seit 2004 gibt es das Programm „Bio kann jeder“ für Kitas und Schulen. Seither hätten „bundesweit rund 36.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa 1.700 Workshops besucht“ heißt es in der Bilanz auf oekolandbau.de. Ebenso lange gibt es das BioMentoren-Netzwerk, dessen bioaffine Großküchenchefs Kolleg*innen beim Umstellen auf Bio helfen. Die letzte der vielen Initiativen und Programme in diesem Bereich war das 2021 von der damaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gestartete BioBitte. Das Ergebnis all dieser Anstrengungen sind die jetzigen 1,3 Prozent Bio-Anteil in der AHV. Das motiviert potentielle Bio-Lieferanten nicht unbedingt, in diesen Bereich einzusteigen.

Doch: „Wir haben eine andere Zeit: die Handlungsnotwendigkeit ist größer geworden und die Gäste haben sich verändert“, sagt Philipp Stierand. Der Geschäftsführer des Unternehmens Speiseräume F+B begleitet mit seiner Kantine Zukunft und mit Förderung durch die Stadt Berlin Gemeinschaftsküchen bei der Umstellung. 35 Betriebe haben den Prozess bisher durchlaufen. Ihr durchschnittlicher Bio-Einsatz liegt jetzt bei 61 Prozent – bei weiterhin moderaten Preisen.

„Die Betriebe brauchen für die Transformation den Blick von außen, Know-how und Beratung auf Augenhöhe“, sagt Stierand. Rund 70 Stunden begleiten er und sein Team eine Küche – auch bei der praktischen Arbeit. Den Ansatz für seine Kantine Zukunft hat Stierand sich in Kopenhagen abgeschaut. Die dänische Hauptstadt hat innerhalb weniger Jahre damit einen Bio-Anteil von 90 Prozent in ihren Küchen erreicht. Doch dafür braucht es Kommunen, die wie Kopenhagen bereit sind, viel Geld in die Hand zu nehmen und auch die Rahmenbedingungen zu ändern, etwa bei der Vergabe von Aufträgen oder der Ausstattung von Küchen. „Der Staat darf sich eine gute Gemeinschaftsgastronomie nicht nur wünschen, sondern muss sie auch bestellen“, sagt Stierand dazu.

Die Zeichen stehen auf Bio

Einige Kommunen gehen diesen Weg entschlossen, etwa Berlin oder (nach längerem Stillstand) die Stadt München. Dort soll in allen Kantinen und städtischen Einrichtungen bis Mitte 2025 ein Anteil an bio-regionalen Lebensmitteln von 60 Prozent erreicht sein. Auch einige Bundesländer haben sich mehr Bio in ihren Kantinen auf die Fahnen geschrieben.

Die Bundesregierung veröffentlichte im November 2022 Förderrichtlinien für die Bio-Beratung von Großküchen. Sie übernimmt bis zu 80 Prozent der Beratungskosten – wenn das Ziel bei mehr als 30 Prozent Bio liegt. Zudem will sie über das Ökolandbaugesetz die Bio-Zertifizierung für die AHV und die Bio-Auslobung der Produkte erleichtern. Die geplante Verordnung ist nach Einschätzung des BNN ein guter Ansatz, es braucht aber noch einige Verbesserungen, so zum Beispiel die Zusammenlegung der Zertifizierung für Facheinzelhandel und Gastronomie, um Aufwand und Kosten zu senken. Neben eines Bio-Anteils von mindestens 50 Prozent in den Kantinen des Bundes und der Finanzierung von erfolgreichen Schulungsprogrammen in AHV-Einrichtungen fordert der Bundesverband gerade auch für Bio-Märkte, die ein Bistro betreiben, Kontrollkostenzuschüsse.

Im Rahmen der Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie ökologische Landwirtschaft (ZöL) wurde vom BMEL ein Kompetenzteam „AHV“ eingerichtet, in dem auch BNN-Mitgliedsunternehmen beteiligt waren. Die Vorschläge des Kompetenzteams zielen auf die grundsätzliche Stärkung von Bio in der AHV. Auf der BIOFACH 2023 wurden sie der Fachöffentlichkeit vorgestellt (Ergebnisse s. Kasteninfo).

 

 
Vorschläge des Kompetenzteams AHV im Rahmen der ZöL

Am 16. Februar 2023 präsentierte Staatssekretärin Silvia Bender auf der BIOFACH die Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZöL). Dabei wurden auch die Vorschläge des Kompetenzteams Außer-Haus-Verpflegung (AHV) vorgestellt, um den Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung zu erhöhen. Die Vorschläge umfassten die Einführung eines verpflichtenden Bio-Anteils in Ausschreibungen öffentlicher Einrichtungen, die Berechenbarkeit des Mehrkostenaufwands für Bio, die Übernahme der Kosten für die Bio-Zertifizierung für kleinere Unternehmen der AHV, den Aufbau einer Beraterstruktur für die AHV in Deutschland sowie die Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Prüfkonzepts zur Kontrolle des Bio-Anteils in der AHV.

 

 

Nützliche Links rund um das Thema "Außer-Haus-Verpflegung":

  • kantine-zukunft.de - Die Initiative "Kantine Zukunft Berlin" strebt die nachhaltige Transformation der Gemeinschaftsgastronomie in Berlin an
  • biospeiseplan.de - Auf dieser Plattform haben Sie die Möglichkeit, Ihre wöchentlichen Speisepläne zu erstellen und zu verwalten. Darüber hinaus erhalten Sie detaillierte Informationen zur Kostenkalkulation sowie zu den Nährwerten der einzelnen Gerichte.
  • biostaedte.de - Die Internetseite informiert über das Biostädte-Netzwerk in Deutschland. 
  • bio-bitte.info - BioBitte ist eine Plattform, die lokale Akteurinnen und Akteure dabei unterstützt, den Einsatz von Bio-Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung zu steigern. Auf dieser Website finden Sie eine Vielzahl von nützlichen Informationsmaterialien, praktischen Beispielen und aktuellen Meldungen rund um das Thema.
  • biokannjeder.de - Bio kann jeder informiert über eine nachhaltige Ernährung in Kitas und Schulen.
  • biomentorenwebsite.wordpress.com - Ein Netzwerk aus Gastronomen, Betriebsleiter, Küchenchefs und Einkäufer und repräsentieren durch verschiedene Funktionen, Betriebstypen und Regionen die gesamte Außer-Haus-Verpflegung in Deutschland. Sie unterstützen Einrichtungen bei der Umstellung auf Bio.