Europawahl 2024: Wie stehen die Parteien zum Ökolandbau und Bio?

11. April 2024 Aktuelles

© Stadtratte / Getty Images

Die Europawahl steht vor der Tür. Vom 6. bis 9. Juni 2024 wählen dann die Bürger*innen der Europäischen Union zum zehnten Mal das Europäische Parlament. Für uns eine gute Gelegenheit uns genauer die Wahlprogramme der deutschen Parteien anzuschauen, die antreten werden.

Wir haben uns deshalb die Wahlprogramme der Parteien CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, AfD, Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) und FDP genauer unter die Lupe genommen. Die Fragestellung: Ob und wie wird die „ökologische Landwirtschaft“, „Ökolandbau“ oder „Bio“ als Begriffe thematisiert. Hier der Überblick zu den ausgewählten Parteien[1]:

Bündnis 90 / Die Grünen: Klares Bekenntnis zum Leitbild der ökologischen Landwirtschaft

Die Grünen stehen erwartungsgemäß fest auf dem Boden des Ökolandbaus. Das zeigt sich auch in ihrem aktuellen Europawahlprogramm, das mit 114 Seiten das mit Abstand umfangreichste aller verglichenen Programme ist. Mehr als fünf Seiten widmet die Partei dem Thema Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung unter der Überschrift „Eine starke Landwirtschaft“. Dort heißt es:

„Wir orientieren uns an den Kriterien der Regionalität, Kreislaufwirtschaft und Agrarökologie sowie dem Leitbild ökologische Landwirtschaft.“ (Seite 39)

Weiter im Text wird das Bekenntnis noch einmal konkretisiert:

Wir befürworten eine Landwirtschaft, die ressourcenschonend und naturverträglich arbeitet und sich am Leitbild der ökologischen Landwirtschaft mit ihren Prinzipien Tiergerechtigkeit, Gentechnikfreiheit und Freiheit von synthetischen Pestiziden orientiert.“ (Seite 39)

Für Die Grünen ist ökologische Landwirtschaft der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft. Unter dem zehnten Punkt bekennen sie sich also klar zur ökologischen Landwirtschaft als Leitbild – und schlagen auch konkrete Maßnahmen beispielsweise im Bereich Forschung und Förderung vor:

Es braucht mindestens 30 Prozent der Mittel, die für die landwirtschaftliche Forschung und die ländliche Entwicklung ausgegeben werden, für die Weiterentwicklung und Förderung der Ökologisierung der Landwirtschaft und innovative Konzepte für die Bio-Wertschöpfungskette, ebenso wie für ökologische Züchtungsforschung."

Darüber hinaus will die Partei das EU-Biosiegel "nachschärfen", insbesondere bei der Tierhaltung. Ökobetriebe sollen aufgrund ihrer Umweltleistung als „Green Per Definition“ gelten, ohne Doppelnachweise führen zu müssen (Seiten 39-40).

Auch das Thema Außer-Haus-Verpflegung (AHV) wird im Parteiprogramm erwähnt, wie die Forderung allerdings durch konkrete EU-Politik umgesetzt werden soll, wird nicht näher erläutert:

„Mit kontinuierlich steigenden Bioanteilen aus regionaler Erzeugung in der Gemeinschaftsverpflegung werden verlässliche Absatzmärkte für den Ökolandbau ausgebaut.“ (Seite 39)

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD): Ökolandbau soll das 25-Prozent-Ziel erreichen

Im 51-seitigen EU-Wahlprogramm der SPD wird das Thema einer „zukunftsfähigen Landwirtschaft“ auf insgesamt einer Seite adressiert. Hierbei positioniert sich die Partei zugunsten des Ökolandbaus. Die SPD unterstreicht ihre Unterstützung für die notwendigen Reformen der Agrarpolitik, die im Einklang mit den Zielen des Green Deals stehen sollen.

„Die Rahmenbedingungen für eine auskömmliche Landwirtschaft sind so zu schaffen, das eine umfassende Ernährungssicherung innerhalb Europas unter gleichzeitiger Wahrung der natürlichen Ressourcen und Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien (ökologisch, ökonomisch und sozial) noch besser abgesichert werden. Dringend notwendige Reformen, um die Agrarpolitik an die Ziele des Green Deals anzupassen, müssen dabei umgesetzt werden.“ (Seite 11)

Ein konkretes Ziel ist es, den ökologischen Landbau zu fördern, um einen Flächenanteil von 25 Prozent in Europa zu erreichen. Die SPD betont die Bedeutung des verstärkten Einsatzes von digitaler Technologie, Künstlicher Intelligenz (KI) und Drohnen als zentrale Instrumente zur Erreichung dieses Ziels. Trotz der klaren Bekenntnisse zum Ökolandbau bleibt die Ausarbeitung zu weiterführenden Themen zu einer ökologischen Wertschöpfungskette in der Lebensmittelwirtschaft allerdings unerwähnt.

Christlich Demokratische Union (CDU) / Christlich Soziale Union (CSU): Kein Wort zum Ökolandbau

Im gemeinsamen Wahlprogramm zur Europawahl 2024 von CDU und CSU, das insgesamt 27 Seiten umfasst, wird das Thema Landwirtschaft und Lebensmittel unter dem vierten Punkt Regionale Erzeugung von Lebensmitteln sichern" behandelt. In diesem Abschnitt liegt der Fokus auf einige allgemeine Themen zur Agrarpolitik. Ökologische Aspekte der Land- und Lebensmittelwirtschaft, einschließlich des Ökolandbaus, finden in diesem Rahmen keine explizite Erwähnung – auch nicht im Kontext regionale Stärkung von Verarbeitung und Handel.

Freie Demokratische Partei (FDP): Keine Thematisierung von ökologischer Landwirtschaft

In dem 21-seitigen EU-Wahlprogramm der FDP findet das Thema der ökologischen Landwirtschaft keine explizite Erwähnung. Stattdessen betont die Partei die Bedeutung hochwertiger Lebensmittel vor der eigenen Haustür", die sie als ein zentrales Interesse definiert. Die FDP spricht sich für eine marktwirtschaftlich orientierte gemeinsame Agrarpolitik aus, die durch weniger Subventionen und eine Reduzierung bürokratischer Hürden gekennzeichnet sein soll. Trotz dieser Positionierung zur Agrarpolitik bleibt eine Auseinandersetzung mit den ökologischen Dimensionen der Landwirtschaft oder eine spezifische Förderung des Ökolandbaus aus. Die Partei konzentriert sich somit auf eine effizienz- und marktorientierte Perspektive, ohne direkte Bezüge zu ökologischen Anbauverfahren oder den spezifischen Herausforderungen und Chancen des ökologischen Landbaus.

Alternative für Deutschland (AfD): Regional ja. Ökologisch nein.

Die AfD thematisiert in ihrem 52-seitigen Wahlprogramm zur Europawahl die ökologische Landwirtschaft nicht explizit. Stattdessen nutzt sie ihr Programm, um den „Green Deal“ anzugreifen und gegen die EU im Bereich Landwirtschaft Stimmung zu machen „Dabei soll unsere Landwirtschaft im Einklang mit Natur und Tierschutz die Versorgung der Verbraucher mit hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln sicherstellen. Deswegen fordern wir statt zentralistischer EU-Bürokratie eine auf regionale Bedürfnisse ausgerichtete Umwelt-, Forst-und Landwirtschaftspolitik“, heißt es im Programm aus Seite 36. Obwohl sie vorgibt, nachhaltige Prinzipien verfolgen zu wollen, kritisiert die Partei eine angeblich „grüne bauern- und technikfeindliche Stimmungsmache“.

Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW):   

Das 20-seitige Wahlprogramm des BSW thematisiert die ökologische Landwirtschaft bzw. den Ökolandbau ebenfalls nicht explizit. Stattdessen verspricht die Partei eine "angemessene und unbürokratische Förderung" einer Landwirtschaft, die auf umwelt-, boden- und klimaschonenden Agrartechniken und Anbausystemen basiert. Die exakte Benennung dieser Anbausysteme bleibt aber im Unklaren.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Bündnis 90/Die Grünen und die SPD als einzige der untersuchten Parteien explizit für eine Ausweitung des Ökolandbaus in der EU einsetzen. Die Grünen zeichnen sich dabei durch den Detaillierungsgrad ihrer Pläne aus. Die anderen Parteien gehen nicht auf den ökologischen Landbau als spezifisches System ein. Das BSW signalisiert eine allgemeine Unterstützung für nicht näher erläuterte umweltfreundliche Praktiken in der Landwirtschaft.


[1]Unsere Vorgehensweise: Basierend auf den aktuellen Prognosen und Umfragewerten (Ipsos-Umfrage vom 19.03.2024) haben wir die Parteien unter die Lupe genommen, die voraussichtlich mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen erhalten werden. Dabei ist zu beachten, dass es bei der Europawahl keine 5%-Hürde gibt, anders als bei der Bundestagswahl. Trotz einer relativ geringeren erwarteten Prozentzahl in der Umfrage von vier Prozent haben wir die FDP in unsere Analyse einbezogen, da sie als Teil der Regierungskoalition auf Bundesebene eine wichtige Rolle spielt. Unser Fokus lag auf den Stichworten „Landwirtschaft“, „Ökolandbau“, „ökologischen Landwirtschaft“ bzw. „Bio“.